Fünftes Kapitel

To pull a friend out of the mire, don't hesitate to get dirty. 
(Baal Shem Tov) 

Ich verdiene unsere Brötchen aktuell ja als Reinigungsfachkraft. Was ich offen gestanden überhaupt nicht schlimm finde. Zumal mein Chef ein ziemlich feiner Kerl ist, also einer der erstens noch selber Hand an den Mop legt und der außerdem einen einigermaßen fairen Mindestlohn zahlt. Was ja gerade in dieser Branche eine Ausnahme ist.  Mir passt das derzeitig ganz gut ins Gesamtkonzept, beim putzen habe ich meine Ruhe, ich kann da routiniert und ungestört meine Stunden abarbeiten, muss keine dämlichen Verkaufsgespräche führen, muss mich nicht verstellen, mich nirgendwo anbiedern, einschleimen, aufspielen oder unterordnen, sondern mache einfach das was gemacht werden muss und habe ansonsten Zeit, mich um die Dinge zu kümmern, die mich interessieren, die mir wichtig sind und die mir Freude machen. Allerdings ist das auch nur ein kleiner Nebenjob, in Vollzeit wäre die Maloche dann auch eher ein Knochenjob als lustig. Und so geht das ja auch nur, weil ich insoweit priviligiert bin, hier keine Miete für meine Besenkammer bezahlen zu müssen.

Einen anderen Job konnte ich auch gar nicht mehr finden. Auch nicht bei der Kirche, wo ich mich schon 3 mal beworben habe, einmal bei der Bahnhofsmission, dann für die Obdachlosenhilfe und nochmal irgendwo. Die wollen mich da nicht und ich werde denen meine Dienste auch kein weiteres mal anbieten. Jetzt kann ich also in meiner freien Zeit ganz eigenverantwortlich und freiberuflich als Bahnhofsmissionarin, Obdachlosenhelferin und Sozialarbeiterin unterwegs sein, keiner hindert mich daran oder vermarktet bzw. verramscht mir meine Mitmenschlichkeit

Während ich Dir gerade diese Zeilen hier schreibe, findet unten im Kessel die große Samstagsdemonstration gegen Stuttgart 21 statt, an der ich ja auch teilnehmen wollte, dazu heute aber leider nicht in der Lage bin, weil es mir physisch nicht gut geht und mir die Menschenmasse vermutlich den Rest geben würde. Ich bleibe also in der Hütte und widme mich stattdessen meinem literarischen Werk, was ich mir vorgenommen habe, schnellstmöglich zu vollenden. Auch wenn das hier augenscheinlich als Korrespondenz daherkommt, so lege ich dennoch Wert darauf, die Schreibe unter Literatur einzuordnen,  schließlich befinden wir uns in keinem direkten Austausch und ich werde die Briefe auch gar nicht an Dich persönlich adressieren, sondern sie ersteinmal alle sammlen und bündlen, bevor ich sie dann als Gesamtpaket (ja, jetzt vergreife ich mich hier mal an diesem versauten Begriff der Wirtschaftslobbyisten) veröffentliche. Das eigentliche Briefgeheimnis soll ja auch auf gar keinen Fall gelüftet werden, nein, Du, der Adressat bleibst streng vertraulich und wirst der Öffentlichkeit nicht preisgegeben. 

So und jetzt möchte ich nochmals auf meinen unbekannten Freund zu sprechen kommen, ja ich sage Freund denn heute weiss ich wieder, das es in Wirklichkeit genau das war, was mich tatsächlich an ihm interessiert hat: seine Freundschaft. Ich wollte ihn aufspüren, den Freund, den falschen Freund küssen um den Wahren zu finden. Hörst sich jetzt schwer nach Frosch an. Nein, das war kein Frosch, der mich da besucht hat, ganz gewiss nicht. Das war also Er ist - ein echter Prinz.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass es da Leute gibt, die es gar nicht gut mit ihm meinen, genausowenig wie die es gut mit mir meinen und für deren unlautere Zwecke er sich hat einspannen lassen. Aus Gründen die mir nicht bekannt sind.

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