Zehntes Kapitel

Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben.
 (Franz Kafka in Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg)
Heute schreibe ich Dir also den letzten der zehn Briefe, die ich hier für Dich gesammelt habe. Du magst Dich vielleicht fragen, warum ich gerade Dir die Rolle des (geheimen) Empfängers zugeschrieben habe. Dazu kann ich nur antworten, dass ich die Briefe nur Dir und keinem anderen hätte schreiben können, dass ich sie also niemals geschrieben hätte, wenn nicht an Dich, dass also letztlich Du der eigentliche Urheber dieser Briefe bist während ich lediglich als Schreiberin fungiere.

Schon sehr lange spüre ich in mir dieses Bedürfnis, Dir etwas zurückbringen zu wollen... etwas das Dir von anderen genommen wurde, ich wusste weder was es war noch wo genau ich zu suchen hatte, ich wusste nur, dass ich es unter allen Umständen finden und Dir überbringen musste, bevor ich sterbe und dass ich, sollte mir das nicht gelingen, mein Lebensziel verfehlt hätte.
Und weil ich mit dieser Sache mittlerweile deutlich in Verzug geraten war, fühlte ich mich dann auch sehr gedrängt um nicht zu sagen gehetzt- ich habe schließlich keine Ahnung, wieviel Zeit mir überhaupt noch bleibt  - und so setzte ich mich also hin und kreierte ersteinmal diesen Zehner-Rahmen, nur um endlich irgend etwas zur Hand zu haben, das ich befüllen konnte, eine Art Netz, mit welchem ich fischen konnte, fischen nach dem verlorenen, Dir zugehörigen Etwas.

Auch wenn sich Dir beim Lesen dieser Briefe auf den ersten Blick nicht erschließen mag, warum darin etwas verborgen sein sollte, dass gerade Dich und nur Dich etwas angeht, werde ich mir darüber keine Sorgen mehr machen, ich lege das Ganze jetzt in Deine Hände und was Du damit anstellst bleibt allein Dir überlassen.